Para Biathlon-WM: Kompletter Medaillensatz fürs deutsche Team

Vier Medaillen zum Auftakt am Donnerstag, vier Medaillen auch am Samstag. Die deutschen Para Biathletinnen und Para Biathleten zeigen sich bei den Weltmeisterschaften in Pokljuka erneut erfolgshungrig. Leonie Walter gewinnt bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung ihr zweites Gold, Johanna Recktenwald holt ebenso Silber wie Marco Maier und Anja Wicker wird Dritte.

Leonie Walter präsentiert sich in diesen Tagen enorm laufstark. Was sich schon beim Weltcup in Val di Fiemme (Italien) zeigte, setzt sich bei den Biathlon-Weltmeisterschaften in Pokljuka (Slowenien) fort. „Ich fühle mich gut“, sagt die 21-Jährige vom SC St. Peter. Das schlägt sich in den Ergebnissen nieder. Nach ihrem Sprint-Sieg gewann Walter auch in der Sprint-Verfolgung. Sowohl in der Qualifikation als auch im Finale (jeweils drei Runden à 1,5 Kilometer mit zwei Schießeinheiten) waren Walter und ihr Guide Christian Krasman nicht zu schlagen – trotz je eines Schießfehlers in beiden Läufen. „Die ärgern mich, aber morgen im Einzel habe ich die Chance, es besser zu machen“, betont sie.

Für die zweite Deutsche in der Startklasse, Johanna Recktenwald (Biathlon-Team Saarland, mit Emily Weiß als Begleitläuferin), gilt derweil: Besser geht es nicht, zumindest am Schießstand. Dort blieb sie wie schon im Sprint ohne Fehler und sicherte sich ihre zweite Silbermedaille bei dieser WM. „Ich hatte mein Ziel schon am Donnerstag mehr als erfüllt und bin das heute total locker angegangen.“ Diese Lockerheit war ihr Trumpf. „Johanna ist sehr stabil am Schießstand, sie hat sich läuferisch entwickelt. Das Gesamtpaket hat sie da hingebracht, wo sie jetzt steht. Sie kann sehr zufrieden sein“, sagt Bundestrainer Ralf Rombach. Bronze ging an die österreichische Sprint-Expertin Carina Edlinger, der rund 25 Sekunden auf Recktenwald und 56,21 Sekunden auf Walter fehlten.

Hochspannung bei den Männern stehend

Eine zweite Silbermedaille in Pokljuka gab‘s am Samstag für Marco Maier (SV Kirchzarten) bei den Männern in der stehenden Konkurrenz. Im spektakulärsten Rennen des Nachmittags mit vielen Führungswechseln landete er 2,52 Sekunden hinter dem Ukrainer Grygorii Vovchynskyi. Der kanadische Top-Favorit und Sprint-Sieger Mark Arendz folgte mit 9,75 Sekunden Abstand auf Vovchynskyi auf dem Bronze-Rang. Maier musste nach dem ersten Schießen einmal in die 75 Meter lange Strafrunde einbiegen, kämpfte sich danach aber wieder an die Spitze heran, während Arendz beim zweiten Schießen einmal patzte. Der dreifache Paralympics-Champion aus der Ukraine hingegen traf alle zehn Scheiben, obwohl er am Schießstand volles Risiko gegangen war und sehr schnell geschossen hatte. Dass er zum zweiten Mal bei diesen Weltmeisterschaften Gold nur knapp verpasste – am Donnerstag hatten ihn 1,2 Sekunden von Platz eins getrennt – schmerzte Maier zwar ein wenig. Doch er stellte klar, dass er sich über dieses Ergebnis sehr freue. „Der zweite Platz fühlt sich richtig gut an. Das Format macht richtig viel Spaß. Ich hatte Bock drauf und das merkt man dann auch bei der Leistung“, sagte er. „Dieses Gold hat sich Grygorii verdient“, sagt Ralf Rombach und attestierte Marco Maier „ein Superrennen“ – vor allem, weil der 25-Jährige sich von seinem Schießfehler nicht aus der Bahn hatte werfen lassen.

Alexander Ehler (SV Kirchzarten) wurde bei den Männern stehend 14., sein Vereinskamerad Max Long landete auf Rang 18. Steffen Lehmker (WSV Clausthal-Zellerfeld) musste krankheitsbedingt passen, genau wie Nico Messinger (Ring der Körperbehinderten Freiburg) bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung. Lennart Volkert (PSV München, mit Guide Nils Kolb) wurde dort Achter.

Bei den Frauen in der sitzenden Konkurrenz (dreimal 1,1 Kilometer) gewann Anja Wicker (MTV Stuttgart) Bronze. Läuferisch war die 33-Jährige auf ähnlichem Niveau wie ihre Dauerkonkurrentin Kendall Gretsch (USA) unterwegs, doch während Gretsch gewohnt schnell und sicher schoss und sich damit souverän Gold sicherte, unterliefen Wicker in der Qualifikation zwei und im Finale drei Fehler. „Das waren einfach zu viele. Vielleicht hat mir am Schießstand einfach die Kraft etwas gefehlt. Läuferisch war es wieder spitze, das hat mir am Ende die Medaille gerettet“, resümiert sie. Silber ging an Yuxin Zhai (China), die sich wie Gretsch am Schießstand viermal makellos zeigte.

Recktenwalds Premierensieg als emotionaler Abschluss  

Die 23-jährige Saarländerin schnappt sich bei den Para Biathlon-Weltmeisterschaften in Pokljuka dank fulminanter Schieß- und Laufleistung Gold im über 12,5 Kilometer. Leonie Walter und Anja Wicker holen Silber und gewinnen damit wie Johanna Recktenwald im dritten Rennen ihr drittes Edelmetall.  

Schießfehler treffen Biathletinnen und Biathleten immer direkt ins Herz. Im Einzelrennen wirkt sich jede stehenbleibende Scheibe zusätzlich schmerzhaft auf die Rennzeit aus, addiert sich doch pro Fehlschuss eine Minute zusätzlich auf die Laufzeit. Über die 12,5 Kilometer bei den Para Weltmeisterschaften der Internationalen Biathlon Union (IBU) am Sonntag machten Anja Wicker (MTV Stuttgart), Marco Maier (SV Kirchzarten) und Leonie Walter (SC St. Peter) jene Erfahrung, auf die sie gern verzichtet hätten. Johanna Recktenwald (Biathlon-Team Saarland) hingegen machte sie nicht – und ergoss im Ziel Freudentränen.

Wicker fehlten in der Loipe die Winzigkeit von 0,3 Sekunden auf ihre Dauerkonkurrentin Kendall Gretsch (USA). Doch weil sich die 33-jährige Schwäbin beim zweiten Schießen zwei Fehler leistete und Gretsch alle 20 Schüsse ins Ziel setzte, ging die Goldmedaille bei den Frauen sitzend vermeintlich deutlich an die US-Amerikanerin. „Läuferisch war es echt gut. Meine Arme waren gut drauf und meine Skier der Hammer“, sagte Wicker und sendete ihren Dank an die deutschen Wachser. „Ich bin außerdem stolz, dass ich nach meinen beiden Fehlern cool geblieben bin.“ Das war ausschlaggebend dafür, dass sie nach Silber im Sprint und Bronze in der Sprint-Verfolgung auch im Einzel Silber holte. Bronze ging an Shiyu Wang aus China.

Marco Maier, in den Tagen davor zweifacher Silber-Medaillengewinner bei den Männern stehend, musste trotz erneut starker Laufleistung nach vier Schießfehlern seine Hoffnungen auf einen weiteren Platz auf dem Podium begraben. Er wurde beim Sieg von Mark Arendz (Kanada) vor Benjamin Daviet (Frankreich) und Grygorii Vovchynskyi (Ukraine) Achter. „Es klappt leider nicht immer am Schießstand. Ich kann mit meiner Leistung hier in Pokljuka trotzdem zufrieden sein“, sagte der 25-Jährige.

Alexander Ehler feiert persönliche „Goldmedaille“

Bester Deutscher bei den Männern stehend wurde Alexander Ehler (SV Kirchzarten), der nach einem Fehler als Siebter 2,9 Sekunden vor Maier blieb und damit seinen Nationalkader-Status bestätigte. „Für mich fühlt sich dieser siebte Platz wie eine Goldmedaille an“, sagte der Oldie im deutschen Team. Der 18-jährige Max Long präsentierte sich als 15. zum Abschluss seines WM-Debüts ebenfalls sehr ordentlich am Schießstand und ließ nur eine Scheibe stehen. Bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung erreichte Lennart Volkert (PSV München, mit Robin Wunderle als Guide) die sechstbeste Laufzeit, fing sich am Schießstand aber vier Strafminuten ein. Das brachte ihm am Ende den achten Rang ein.  

Für den emotionalen Höhepunkt des Tages aus deutscher Sicht sorgte im finalen Rennen der WM Johanna Recktenwald mit ihrer Begleitläuferin Emily Weiß. Bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung blieb die zuvor zweimal mit Silber dekorierte Recktenwald wie in den Tagen zuvor ohne Fehler – im Gegensatz zu ihrer Teamgefährtin Leonie Walter und der Österreicherin Carina Edlinger, die sich beide zwei Strafminuten einhandelten. Läuferisch auf dem Papier nicht ganz so stark wie ihre Konkurrentinnen, aktivierte sie auf der Schlussrunde angetrieben von Weiß und dem Trainerteam am Streckenrand alle Kräfte und lief nicht nur zu Gold, sondern auch zu ihrem ersten Sieg überhaupt im Para Ski nordisch.  

„Sensationell“, fand das der Bundestrainer Ralf Rombach. „Das war Johannas Tag heute. Sie hat am Ende total durchgezogen und alles gezündet.“ Am Ende rettete sie 23,9 Sekunden ins Ziel – und konnte ihren Triumph erst gar nicht fassen. „Unglaublich, wow! Emily hat mich so laut den Anstieg hochgeschrien. Ich dachte gleich explodiert der Lautsprecher“, sagte die Weltmeisterin. Leonie Walter machte derweil mit ihrem Guide Christian Krasman durch eine starke Schlussrunde den dritten deutschen Doppelsieg dieser Wettkämpfe perfekt. Aus sechs Sekunden Rückstand nach dem letzten Schießen auf die laufstarke Edlinger machte sie eine Sekunde Vorsprung. Nach zweimal Gold in den Vortagen gab es diesmal Silber für sie.

Der Blick geht nach Toblach

Aus dem Wintersportparadies Pokljuka nehmen die deutsche Para Biathletinnen und Para Biathleten nicht nur aufgrund der Ergebnisse sehr positive Eindrücke mit. „Es war hier alles toporganisiert, ein Wettbewerb mit einem hohen sportlichen Wert. Die Anlage hat einen Charme. Sie wirkt sehr familiär. Das passt gut zu unserer Para-Familie. Wir kommen gern wieder“, fasste Ralf Rombach zusammen.

Verweilen kann die deutsche Mannschaft in Slowenien nicht. Am Mittwoch steht das erste Rennen der vom Weltskiverband FIS organisierten Para Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Toblach (Italien) auf dem Programm. Dann stoßen in Theo Bold (mit Guide Jakob Bold), Linn Kazmaier (mit Guide Florian Baumann), Sebastian Marburger, Kathrin Marchand, Merle Menje und Maximilian Weidner einige Athletinnen und Athleten zum Team hinzu, die in Pokljuka nicht dabei waren. In Südtirol heißt es dann: Nur die Laufleistung zählt. Für das deutsche Team ist das nach den jüngsten Eindrücken nicht die schlechteste Nachricht.  

Das deutsche Aufgebot für Toblach (Name, Alter, Geburtsort, Verein):

Frauen mit Sehbeeinträchtigung: Linn Kazmaier (18 / Nürtingen / SZ Römerstein, Guide: Florian Baumann / 23 / Nürtingen / SZ Uhingen), Johanna Recktenwald (23 / St. Wendel / Biathlon-Team Saarland, Guide: offen, Emily Weiß ist wegen Uniprüfungen verhindert), Leonie Walter (21 / Freiburg / SC St. Peter, Guide: Christian Krasman / 23 / Stühlingen / Ski-Club Schönwald)

Frauen stehend: Kathrin Marchand (34 / Köln / SV Kirchzarten)

Frauen sitzend: Merle Menje (20 / Mainz / StTV Singen), Anja Wicker (33 / Stuttgart / MTV Stuttgart)

Männer mit Sehbeeinträchtigung: Theo Bold (18 / Velbert / WSV Isny, Guide: Jakob Bold / 20 / Essen / WSV Isny), Nico Messinger (30 / Freiburg / Ring der Körperbehinderten Freiburg, Guide: Robin Wunderle / 26 / Freiburg / SC Todtnau), Lennart Volkert (21 / Berlin / PSV München, Guide: Nils Kolb / 22 / Freiburg / SV Kirchzarten)

Männer stehend: Alexander Ehler (55 / Leninogorsk (KAZ) / SV Kirchzarten), Marco Maier (25 / Oberstdorf / SV Kirchzarten), Sebastian Marburger (27 / Frankenberg (Eder) / SK Wunderthausen), Maximilian Weidner (35 / Passau / WSV-DJK Rastbüchl)

Der Zeitplan für die Para Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Toblach:

Mittwoch, 12. Februar: 10 km klassisch

Donnerstag, 13. Februar: Offene Staffel und Mixed-Staffel (jeweils 4x2,5 km)

Freitag, 14. Februar: 20 km, freie Technik

Weitere Informationen:

https://www.nordski.de

https://www.biathlon-pokljuka.com/en/para-biathlon-world-championships

https://www.worldcup-dobbiaco.it/para

 

Quelle: DBS / Nordic Paraski Team Deutschland

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