Unsere Inklusionsoffensive in die Sportvereine geht nach der Sommerpause wieder los!

Heiko Striehl berichtet im Interview von der actionreichen Behindertensportart Rollstuhlrugby und gewährt Einblicke in sein Leben und seine Erfahrungen als Rollstuhlfahrer.

1. Wo verstecken sich Tücken im Alltag als Rollstuhlfahrer und wo siehst Du den größten Optimierungsbedarf?

"Die größten Tücken und der Optimierungsbedarf decken sich meines Erachtens nach. Die Tücken im Alltag sind die schleppende Umsetzung der UN Behindertenkonvention, die das Ziel hat, das Übereinkommen der menschen-rechtlich begründete volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen, sowie die fehlende Barrierefreiheit in allen Feldern des öffentlichen Leben."

2. Wie kamst Du zum Rollstuhlrugby?

"Ich habe mit Rollstuhl Tischtennis 1987 begonnen, da ich als Jugendlicher Badische Auswahl im Nichtbehinderten-Tischtennis gespielt hatte. Meine Vereinskameraden der der RSG Heidelberg haben mich dann 1993 zum Rollstuhl Rugby in eine andere Sportart abgeworben."

3. Wie kam es dazu, dass Du die Erfahrung des Rollstuhlrugbys an andere Sportler weitergibst?

"Ich habe 1995 als Spieler an der Europameisterschaft in Schweden teilgenommen. Danach war schnell klar, dass meine Zukunft im Traineramt liegen wird. Hier war ich 16 Jahre beim DBS als Cheftrainer, Co-Trainer und Team-Manager für die Nationalmannschaft verantwortlich. Hier hat mir eine 3-jährige DBS Ausbildung in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln und der dortigen Trainerakademie weitergeholfen. Als wir uns 2012 erstmals nicht für eine Paralympics (in London) qualifiziert hatten, war mir klar, dass meine zukünftige Arbeit im Bereich der Nachwuchsförderung, der Gewinnung neuer Spieler und das „Bekanntmachen“ des Rollstuhl Rugbys sein wird. Für den Fachbereich Rollstuhl Rugby war ich dann im Ressort Reha+Nachwuchs aktiv und habe Sportvereine, Reha-Sportgruppen und auch Schulen besucht und das Rollstuhl-Rugby als Sportart vorgestellt und zum Mitmachen animiert. Seit vielen Jahren bin ich für den BBS als Referent in den Projekten Behinderten-sport macht Schule und Inklusionsoffensive in die Sportvereine tätig. Weiterhin bin ich als Vorsitzender des „Inklusion im Sport e.V.“ bemüht, das Thema gemeinsames Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern."  

4. Wie verbreitet ist Rollstuhlsport in der Gesellschaft?

"Nicht sehr. Obwohl das öffentliche Interesse am Rollstuhlsport immer weiter zunimmt, was auch die Berichterstattung der Paralympischen Spiele in den öffentlich-rechtlichen Sendern zeigt. Rollstuhl Basketball ist hier als bekannteste Sportart zu nennen, bleibt aber im Damen und Herren Bereich hinter den Erwartungen zurück. Die Nationalmannschaft im Rollstuhl Rugby konnte sich nicht mehr für die letzten 3 Paralympics qualifizieren und ist den letzten 20 Jahren vom Weltranglistenplatz 6 auf Platz 12 abgerutscht. Wirklich herausragende Weltklassesportler haben wir im Moment nur im Bereich des Rollstuhl Tischtennis. Die Verbreitung des Rollstuhlsports ist natürlich eng mit   dem Thema Inklusion im Sport verbunden. Viele Vereine stehen diesem Thema aufgeschlossen gegenüber und möchten behinderten Menschen und Rollstuhlsportlern die Möglichkeit zum gemeinsamen Sporttreiben bieten. In den Bereichen (als Beispiel) Tischtennis, Badminton, Boccia oder Basketball (im Rollstuhl) ist das ohne besonderen Aufwand oder Equipment möglich. Einzig die Barrierefreiheit steht an den Sportstätten so manchem Engagement im Wege. Auch hier bietet der BBS mit seinem Projekt dem Sportstättencheck   den Vereinen ein Hilfsangebot an. Wichtig ist zunächst, einem behinderten Menschen erst einmal so unvoreingenommen als möglich zu begegnen, ihn zu unterstützen und zu fördern in dem an was er Spaß und Interesse hat und nicht sofort zu denken, was dieser nicht mehr kann. Eine Herkulesaufgabe im Bereich der Inklusion im Sport."

5. Wie kann man sich im Falle eines Unfalls, der den Rollstuhl als Folge hat, motivieren im Rahmen seiner Möglichkeiten, wieder Sport zu machen?

"Im Jahr zählen wir statistisch ca. 2.350 neue Querschnittgelähmte (Stand 2019), ca. 45 Prozent sind unfallbedingt. Die häufigsten Unfallursachen sind im Verkehr und im Sport.

Wenn ein Verunfallter vorher keinen Sport getrieben hat oder altersbedingt das nicht mehr in Frage kam, wird es schwer, ihn nach einem Unfall zum Sport zu bringen. Wichtig ist, einen Menschen nach so einem Trauma aufzufangen, ihm Lebensmut zuzusprechen und eine Zukunftsorientierung zu geben. Dies betrifft nicht nur den Sport, sondern erstmal das Zurechtfinden in Familie, Wohnraum, Arbeit und Mobilität. Hier hat ein Sportverein die großartige Möglichkeit durch seine Mitglieder seine Expertise weiterzugeben. Die Grundmotivation muss vom Verunfallten selbst ausgehen, hier kann er mit allen möglichen Informationen versorgt werden, ist er erst einmal in eine Sporthalle gerollt, muss alles daran gesetzt werden, ihm ein dauerhaftes Sportangebot zu unterbreiten."

 

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