Interview-Reihe „Inklusion im Sport – Verein(t) für Alle“

Interview mit Roland Benker (1. Vorsitzender) und Angelika Schneider (Übungsleiterin) von KoRolli e.V.

Gemeinsam Sport treiben, sich austauschen und Inklusion leben. Seit über 30 Jahren gehen die Mitglieder der KoRollis (Konstanzer Rollstuhlsportinitiative e.V.) unterschiedlichen Aktivitäten nach.  Rollstuhlbasketball, Fahnenschwingen, Blasrohrschießen und Lachyoga sind nur einige davon. Roland Benker und Angelika Schneider berichten darüber.

Herr Benker, Sie sind der 1. Vorsitzende der Konstanzer Rollstuhlsportinitiative e.V. - kurz „KoRolli“. Von Ihrem 2. Vorsitzenden weiß ich, dass Sie schon Deutscher Meister im Wasserski waren (s.Foto). Die KoRollis haben sich hauptsächlich der Sportart Rollstuhlbasketball verschrieben? Wie kamen Sie zum Verein?

Der Verein KoRolli e.V. wurde 1990 gegründet und mein Unfall war 1989. Von daher bin ich eines der Gründungsmitglieder des Vereins. Zum Wasserski kam ich erst später.

Seit wann haben Sie das Amt des 1. Vorsitzenden inne?

1. Vorsitzender bin ich seit 2019, nachdem unsere bis dahin amtierende 1. Vorsitzende Kerstin Ring aus beruflichen Gründen umgezogen ist.

Seit 1990 treffen sich in Konstanz Fußgänger und Rollstuhlfahrer in Ihrem Verein, um gemeinsam Sport zu treiben. Was bedeutet Sport für Sie persönlich? Was macht der Sport in der Gruppe aus?

Sport bedeutet für mich persönlich vor allem Spaß und etwas zu tun, um fit zu bleiben. Außerhalb vom KoRolli fahre ich Handbike, Wasserski und Alpinski. Der Sport in der Gruppe macht auch insofern Spaß, dass man den Austausch untereinander und auch andere soziale Kontakte als "nur" den eigenen Freundeskreis hat.

Frau Schneider, Sie sind Trainerin der KoRollis und haben sich beim Deutschen Rollstuhlsportverband als Übungsleiterin ausbilden lassen. Sie selbst sind Fußgängerin und trainieren die bunt gemischte Gruppe aus Menschen mit und ohne Behinderung. Was macht Ihnen Spaß am Rollstuhlsport? Wo steckt für Sie der Reiz?

Es ist eine Sportart, die man sonst als Fußgänger nicht ausübt. Man lässt sich quasi auf ein neues „Sportgerät“ ein, mit dem Rollstuhlfahrer jeden Tag unterwegs sind. Es ist eine Herausforderung für jeden Fußgänger, hier mithalten zu können. Man lernt von Menschen, über die der eine oder andere, der mit Rollstuhlsport noch nie was zu tun hatte, denkt: „Was kann ein Rollstuhlfahrer mir schon beibringen?“ Wir als Fußgänger begeben uns aber immer wieder aufs Neue in eine Welt, die uns sonst verschlossen bleibt und haben richtig viel Spaß dabei. Was will man mehr? Man kann man in diesem Fall viel von den Rollstuhlfahrern lernen, es werden Dinge aufgezeigt, auf welche man sich sonst gar nicht konzentrieren würde, da sie einen nicht berühren. Ein Beispiel sind Flächen mit Kopfsteinpflaster oder Unterführungen in Konstanz, die viel zu steil sind.

Absolut. Das Stichwort Barrierefreiheit geht damit natürlich einher. Lassen Sie uns den Blick auf die Sportart und ihre Gruppe richten. Rollstuhlbasketball ist eine der ältesten inklusiven Sportarten, bei der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Spot treiben. Der Begriff Inklusion wird in Ihrem Verein deutlich: Sie, Herr Benker sind Rollstuhlfahrer und Sie, Frau Schneider, Fußgängerin, gemeinsam machen Sie Sport. Wie würden Sie die Gruppe beschreiben? Wie erleben Sie die Interaktion untereinander, welche Möglichkeiten ergeben sich daraus?

Benker: Inklusion gab es bei den KoRollis schon immer. Alle Übungsleiter waren bisher Fußgänger. Durch Interessierte vom Hochschulsport und der Universität kamen häufiger Sportler vorbei, um sich unser Training anzuschauen. Wer Lust hat, kann sich in einen unserer Rollis (wir haben einige Rollstühle vor Ort) reinsetzen und mitmachen. So kam es mit der Zeit, dass einige Fußgänger so viel Spaß daran hatten, dass sie nun regelmäßig zum wöchentlichen Training kommen und fester Bestandteil der Gruppe sind. Die Gruppe ist mittlerweile bunt gemischt, sogar die Kinder von Frau Schneider machen beim Training mit und somit reicht die Altersspanne tatsächlich von jung bis alt.  

Schneider: Wie sind wir eine sehr harmonische Gruppe, in die jeder auf seine Weise seine Persönlichkeit einbringt. Vielleicht würden wir aufgrund der Verschiedenheit ohne Rollstuhlsport gar nicht miteinander in Kontakt kommen und so treffen wir uns einmal die Woche, um gemeinsam Sport zu machen. Das Tolle daran ist, dass es völlig egal ist, welchen Charakter jemand mitbringt, wir haben alle das gleiche Ziel: Gemeinsam Sport machen und dabei Spaß zu haben. Und genau dadurch ergibt sich für alle eine ganz neue Art der Kommunikation und der Akzeptanz anderer. Der Horizont erweitert sich und Äußerlichkeiten spielen überhaupt keine Rolle mehr, sondern nur noch die Gemeinschaft und das Füreinander-Einstehen.

Frau Schneider, nehmen die KoRollis (abgesehen vom letzten „Corona-beeinflussten“ Jahr) auch an Turnieren teil oder spielen gegen andere Mannschaften?

Das hat die Gruppe früher gemacht. Es wurden durch den Gründungsvorsitzenden Thorsten Stöckle Turniere organisiert und u.a. gegen St. Gallen gespielt. Durch unsere Altersstruktur, die ein wirklich großes Spektrum von Kindern im Grundschulalter bis zu Sportlern umfasst, die weit im Rentenalter sind, ist es aber schwierig, eine Turniermannschaft zu bilden, ohne jemanden auszuschließen. Deshalb sind wir seit langer Zeit einfach Freizeitsportler, die sich einmal die Woche treffen, um gemeinsam Spaß zu haben und sich fit zu halten.

Herr Benker, haben Sie vor, auch im Kinder- und Jugendbereich aktiv zu werden und langfristig für jüngere Altersklassen Angebote zu schaffen? Oder soll es vorerst beim Breitensportangebot für „Jung und Alt“ bleiben und wenn ja, warum?

Da ich das Amt des 1. Vorsitzenden noch nicht so lange ausübe und wir kurz danach die Pandemiesituation hatten, habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken darüber gemacht, Rollstuhlsport speziell im Kinder- und Jugendbereich anzubieten. Es gab mal ein Angebot in Konstanz an der Regenbogenschule und Frau Schneider hat diese Gruppe geleitet.

Was ich mir aber schon überlegt habe, ist ein Rollstuhlmobilitätstraining in der Schmieder-Klinik anzubieten. Es gibt viele Menschen, die durch MS oder andere Krankheiten in den Rollstuhl kommen, denen aber selten gezeigt wird, wie man mit dem Rolli zurechtkommt, um Barrieren zu überwinden wie z.B. Bordsteine gekippt hoch- und runterzufahren oder vom Rolli auf den Boden und umgekehrt wieder zurück in den Rolli hineinzukommen.

Der Verein kooperiert u.a. mit der Universität Konstanz (Inklusiver Hochschulsport), mit der Wasserschutzpolizei (Hoppetosse-Fahrt für Menschen mit Behinderung), verschiedenen Vereinen (Fahnenschwinger) und Schulen (Rollstuhlsport etc.). Welche Möglichkeiten oder Perspektiven ergeben sich daraus für die KoRollis?

Benker: Durch die Zusammenarbeit mit dem Hochschulsport und den Fahnenschwingern kommt das Wort Inklusion richtig zur Geltung und da Inklusion in unserer Gesellschaft zum Glück immer grösser geschrieben wird, finden sich durch die Zusammenarbeit vielleicht ja noch mehr Sportbegeisterte, ob mit oder ohne Behinderung, die beim Training der KoRollis mitmachen möchten.  

Die Zusammenarbeit mit den Fahnenschwingern hat uns vor eine neue Herausforderung gestellt. Es kam dann sogar so weit, dass wir bei der Deutschen Meisterschaft im Fahnenschwingen teilgenommen haben. Dort sind wir dann sogar Deutscher Meister geworden.

Herzlichen Glückwunsch, das klingt nach einer tollen Erfahrung. Eine letzte Frage noch an Sie, Frau Schneider. Wo können sich Interessierte melden, wenn Sie gerne an Ihrem Angebot teilnehmen möchten und welche Optionen haben Fußgänger, die keinen Rollstuhl haben aber für den Sport einen benötigen?

Jeder der Lust hat, unsere Rollstuhlgruppe kennenzulernen, kann sich gerne entweder über den Hochschulsport der Uni Konstanz anmelden oder einfach dienstagsabends um 19.30 Uhr in der Uni-Sporthalle im letzten Hallendrittel dazustoßen. Einen Rollstuhl braucht man dazu nicht, den kann man von uns bekommen. Wir haben mittlerweile viele Rollstühle, sodass wir interessierten Fußgängern das Sportgerät stellen können. Also: Einfach vorbeikommen!

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