Interview-Reihe „Inklusion im Sport – Verein(t) für Alle“
Interview mit Petra Möller, Übungsleiterin der „Rolli-Bande“
Seit 2009 ist Petra Möller bei der Rollstuhlsport-Gruppe dabei und hat im Laufe der Zeit die Übungsleiter-Funktion übernommen. Im Interview berichtet sie über die Entstehung der Gruppe, welche Aktivitäten mit einem Rollstuhl unternommen werden können und was den Sport mit der Gruppe auszeichnet.
Ihr Verein, der SC/DJK Rastatt, hat neben der Sportart Fußball ein große Breitensport-Abteilung mit verschiedenen Angeboten. Darunter auch Sportangebote für „Menschen mit Handicap: Fußball, Walking und die Rollstuhl-Gruppe“. Sie sind Übungsleiterin der „Rolli-Bande“. Seit wie vielen Jahren gibt es das Angebot und wie kam es dazu?
Die Rollstuhl-Gruppe wurde ursprünglich von einer Rollstuhlfahrerin ins Leben gerufen, die leider verstorben ist! Hans-Georg Willared, derzeit unser Vereinsvorstand, sprach mich im Mai 2009 an, ob ich nicht Lust hätte in der Rollstuhl-Gruppe mitzuhelfen. Ehrenamtlich war ich damals bei verschiedenen Aktionen aktiv. Ich musste nicht lange überlegen und war gleich beim nächsten Training mit dabei. Seither hat mich nicht nur die Leidenschaft am Rollstuhl-Training gepackt, sondern auch die Liebe zu all den wunderbaren Menschen, die an dem wöchentlichen Sport teilnehmen. So vergingen einige Jahre, bis ich 2013/14 die Ausbildung "Rehabilitationssport - Neurologie - Rollstuhlsport" absolvierte.
2016 öffnete ich die Rollstuhl-Gruppe für "ALLE"! Wir hatten zuvor schon Malte, einen sehr lebhaften Jungen mit geistiger Behinderung mit dabei, der unser Team mit so viel Freude und Spaß am Sport "aufwirbelte". Wir freuten uns unheimlich über den "Rollstuhlsport für ALLE“, der dann mehr Zuwachs bekam.
Welche Altersklassen sind in den Gruppen derzeit vertreten, wer kann teilnehmen und wie oft trainieren Sie in der Woche (sofern der Trainingsbetrieb stattfindet)?
Meine derzeit 16 Teilnehmer umfassende Rollstuhl-Sportgruppe trainiert immer freitags von 17.30 - 19.00 Uhr in Rastatt. Sie setzt sich aus sehr unterschiedlichen Behinderungen, Altersklassen (9-70 Jahre) und individuellen Vorstellungen an den Sport zusammen. Aber auch ich bzw. wir kämpfen mittlerweile um Neuzugänge. Fahrdienste, die benötigt werden oder leider auch die persönliche Einstellung zum Sport erschweren den Teilnehmerzuwachs.
Was wird in der Rolli-Gruppe genau angeboten? Welchen Aktivitäten gehen die Teilnehmer nach?
Das Bestreben unserer heterogenen Gruppe ist es, immer auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, sodass alle miteinander - vom Jüngsten bis zum Ältesten - viel Freude und Spaß beim Sport haben. Mit kleinen Fang- und Fahrtspielen, Gymnastik mit Softbällen, Thera-Bändern, kleinen Gewichten oder Stäben finden wir für jeden - auch mit Hilfe der Trainingsbegleiter - eine gute Mischung. Zirkeltraining, Staffelfahrten, große Ballspiele, Rollstuhl-Fahrtechniken, usw. - all das sind feste Bestandteile. Tischtennis, Federball, Rolli-Hockey, Dart und andere Spiele kommen je nach Gruppengröße auch zum Einsatz.
Auch über die Trainingseinheit hinaus sind wir in der Freizeit aktiv. „Geht nicht?? - Gibt's nicht!!“ Wir probieren gerne selbst aus. Vom Hundeschlitten fahren, mit dem Rolli auf dem Eis über Bowling, Boule und Billiard spielen bis hin zum Klettern. Wir haben auch ein eigenes "Spiel ohne Grenzen" für die Bevölkerung organisiert und machen neben dem Sport diverse andere Aktivitäten. So wächst jeder in eine wundervolle "Familie" mit rein. Glücksmomente, die jeder Einzelne für sich findet, egal auf welcher Ebene!
Was ermutigt Sie, was treibt Sie an, sich für eine gleichberechtigte Teilhabe und einen Zugang zum Sport für Menschen mit Behinderung einzusetzen?
Ermutigt werde ich schon vor Beginn der Trainingseinheiten. Jeder kommt lächelnd mit guter Laune in die Halle. Das macht mich glücklich eine so tolle "Rolli-Bande“ leiten zu dürfen. Jeder hilft jedem - Eltern, die während des Trainings die Gruppe unterstützen, sich auch in die Rollis setzten und mitmachen und beim Auf- und Abbau von Geräten helfen. Wir lernen immer wieder, dass man Barrieren umgehen und umfahren kann. Mit kleinen Alternativen und Hilfestellungen. Das stärkt unsere Sportgruppe ungemein. Es ist immer wieder eine große Herausforderung neue Reize, Impulse, neue Spiele oder ganz andere Ansätze zu finden, um jedem gerecht zu werden. Aber ALLE sind ganz selbstverständlich dabei, ganz NORMAL!! Wenn das nicht ans Herz geht?!
Wir bieten im Rahmen unseres Projekts „Inklusionsoffensive in die Sportvereine“ derzeit Sportvereinen an, an einem virtuellen Sporthock (Online-Vortrag) mit dem Thema „Sport für Alle – Chancen und Perspektiven“ teilzunehmen, um mehr über inklusive Sportvereinsarbeit zu erfahren. Was würden Sie sagen: Worin stecken Ihrer Meinung nach Chancen und Perspektiven für Sportvereine, wenn Sie Menschen mit Behinderung in Ihren Verein integrieren?
Ich denke, dass jede/r Trainer/in das Sportangebot vom Inhalt so verändern kann, dass es immer eine Alternative für jeden einzelnen gibt. Auch trotz den Gegebenheiten der Hallen. Somit lernt jeder von jedem. Achtsamkeit und Fürsorge, den Respekt für Menschen mit und ohne Behinderung, die Selbstverständlichkeit, dass wir "ALLE" miteinander, Hand in Hand, etwas ins Rollen bringen können. Die emotionale und soziale Entwicklung solch einer Gruppe ist stets im Förder-Lernprozess: während des Spiels und dem Spaß beim Sport!
Was würden Sie anderen Vereinen, die sich dem Thema annehmen möchte, empfehlen?
Wer sich als Verein zur Inklusion im Sport öffnen möchte, sollte sich in den Vereinen, die schon Erfahrungen haben, mal eine Trainingsstunde anschauen, miterleben oder Gespräche führen und sehen, wie schön es sein kann!