„Ein wunderschöner Tag“
PyeongChang, 16. März 2018. 29-mal in Folge waren es deutsche Frauen, die bei Paralympischen Winterspielen für Deutschland auf dem Siegerpodest standen, am Freitagvormittag (Ortszeit) beendete Martin Fleig (Ring der Körperbehinderten Freiburg) die männliche Durststrecke – und wie! Der 28-jährige Biathlon-Doppelweltmeister von 2017 in der sitzenden Konkurrenz hielt nach zwei für ihn enttäuschenden Rennen dem riesigen Druck stand und lief über die 15 Kilometer ganz nach vorne. Ein perfektes Schießen und eine starke Laufleistung brachten ihm in 49:57.2 Minuten den Sieg.
Im Ziel schrie Fleig seine Freude erst heraus, kurz darauf flossen Tränen – und nicht nur bei ihm. Trainer, Betreuer und weitere Teammitglieder der Deutschen Paralympischen Mannschaft lagen sich in den Armen, alle gönnten sie Fleig diesen Erfolg. Auch der geschlagene Zweitplatzierte Daniel Cnossen gratulierte herzlich. Der US-Boy kam mit einer Strafminute auf eine Zeit von 50.42.7 Minuten. Bronze holte sich der Kanadier Collin Cameron (50:59.1 Minute, ein Fehler).
„Mir fehlen die Worte für das, was heute passiert ist. Ich habe Angst, gleich aufzuwachen und festzustellen, dass alles nur ein Traum war“, sagte Fleig nach der Flower Ceremony. Dass der Traum wahr war, hatte er nach eigenen Angaben „super Skiern“ und dem fehlerfreien Schießen zu verdanken. „Das ist wegen der Strafminuten für jeden Fehlschuss natürlich sehr wichtig gewesen.“
Eskau holt ihr achtes Gold
Einen Beleg für diese These bot schon das kurz zu Ende gegangene Rennen der Frauen sitzend, in dem sich Andrea Eskau (USC Magdeburg) und Oksana Masters (USA) einen packenden Zweikampf lieferten. Beide blieben am Schießstand makellos, Eskau aber war etwas schneller unterwegs als ihre Konkurrentin. Ihre Zeit nach 12,5 Kilometern: 49:41.2 Minuten und damit 18,8 Sekunden schneller als Masters, die genau 50 Minuten benötigte.
„Ich musste kämpfen, aber wenn’s läuft, dann läuft es halt“, sgte die Elsdorferin, die in PyeongChang nun zweimal Gold und zweimal Silber geholt hat – und das, obwohl sie körperlich leicht angeschlagen ins Rennen gegangen war. Hermann „Hempy“ Frey aus dem Skitechniker-Team, das beim Wachsen ein gutes Näschen für die plötzlichen winterlichen Verhältnisse bewies, begrüßte die nun insgesamt achtfache Paralympicssiegerin im Ziel mit den Worten „Du Scharfschützin. So habe ich dich noch nie schießen sehen.“
Ebenfalls brillant am Schießstand zeigte sich am Nachmittag Clara Klug (PSV München), die bei den Frauen mit Sehbehinderung ihre zweite Bronze-Medaille dieser Spiele gewann. In 41:05.9 Minuten kam sie hinter Oksana Lysova (Neutrale Paralympische Athleten, 37:42.8 Minuten, kein Fehler) und Oksana Sjyshkova (Ukraine, 40:31.1 Minute, ein Fehler) ins Ziel.
Der unnachgiebige Guide
Dort musste sich die völlig erschöpfte 23-Jährige erst einmal Zeit nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen. Klug hatte sich geplagt von Asthmaproblemen verausgabt. „Ich bin froh, überhaupt angekommen zu sein. Eigentlich wollte ich schon in der ersten Runde einsteigen, aber Martin hat das nicht zugelassen“, sagte sie mit Verweis auf ihren Guide und Trainer Martin Härtl. Das erste Schießen habe ihr dann den Mut gegeben, das Rennen durchzuziehen. „Ich hatte eine solche Sauerstoffnot und bin trotzdem null geblieben. Da dachte ich mir: Ich laufe einfach, bis ich umfalle.“ Mit der Einstellung habe sie es bis ins Ziel geschafft – und zu Bronze.
Für den zweiten Deutschen im Feld der Sehbehinderten, Nico Messinger, endete das Rennen auf einem zehnten Platz. Läuferisch wusste er zu überzeugen, aber vier Fehler warfen ihn zurück. „Die Bedingungen kamen mir diesmal entgegen“, sagte der 23-jährige Freiburger und bedauerte, dass der Wetterumschwung nicht schon früher gekommen ist. Gold ging an Vitaliy Lukyanenko aus der Ukraine.
Der Bundestrainer schwärmt
Auch Anja Wicker (MTV Stuttgart) und Steffen Lehmker (WSV Clausthal-Zellerfeld) vergaben am Schießstand bessere Platzierungen. Wicker schoss zwar dreimal null, beim dritten Schießen leistete sie sich aber drei Fehler. Das brachte ihr am Ende den neunten Rang ein.
Lehmker war bis zum zweiten Schießen vorne mit dabei, schoss dann jedoch plötzlich viermal daneben. „Mein Visier war verschmutzt. Ich wollte es noch säubern, habe die Ziele aber nur verschwommen gesehen.“ Durch die vier Strafminuten war das Rennen für den 28-jährigen Niedersachsen früh gelaufen, zwei weitere kamen noch hinzu. Am Ende wurde er Elfter. Gold ging an Mark Arendz (Kanada) Silber an Benjamin Daviet (Frankreich) und Bronze an Nils-Erik Ulset (Norwegen).
Die drei deutschen Medaillen aber überstrahlten alles. „Das war ein wunderschöner Tag“, sagte der Bundestrainer Ralf Rombach – mit Fleigs Sieg als emotionalem Höhepunkt. „Er hat sich einen Traum von ewigen Zeiten erfüllt.“ Eskaus Leistung nannte der Bundestrainer „überragend“, Klug lobte er für ihr Durchhaltevermögen. „Dafür, dass sie so sehr mit ihrem Asthma zu kämpfen gehabt hat, ist sie richtig gut gelaufen.“
Rollstuhlcurler beendet Turnier mit achtem Platz
Mit Platz acht beendet die deutsche Rollstuhlcurling-Nationalmannschaft die Paralympischen Spiele im südkoreanischen PyeongChang. Trainer Bernd Weißer ist damit zufrieden – auch wenn das Team kurzzeitig in Richtung Halbfinale steuerte.
Mit einem 8:4 gegen Finnland ist der deutschen Rollstuhlcurling-Mannschaft mit Skip Nane Putzich, Heike Melchior, Martin Schlitt, Wolf Meißner und Harry Pavel ein positiver Abschluss gelungen. Mit vier Siegen aus den ersten fünf Partien hatte die Mannschaft in Südkorea begeistert und gleichzeitig verwundert, anschließend gingen aber fünf Spiele in Folge verloren, bis es gegen Finnland wieder mit einem Sieg klappte.
„Wir haben unser Ziel erreicht“, sagt Cheftrainer Bernd Weißer, der von Katja Schweizer assistiert wurde: „Die Nationen vor uns haben alle mehr Möglichkeiten als wir, da haben wir uns gut geschlagen.“
Hinter den für das Halbfinale qualifizierten Teams aus Südkorea, Kanada, China und Norwegen liegt das deutsche Team zusammen mit den Neutralen Paralympischen Athleten aus Russland, der Schweiz und Großbritannien mit fünf Siegen und sechs Niederlagen auf den Plätzen fünf bis acht, aufgrund der Draw Shot Challenge wurde die deutsche Mannschaft am Ende wie in Vancouver 2010 Achter.
Für Teammanagerin Petra Schlitt, die vor den Spielen immer bei den südkoreanischen Fans Deutschland-Fähnchen und Schwarz-Rot-Gold-Gesichtsbemalung verteilte und das Team lautstark unterstützte, überwiegt ebenfalls das Positive: „Wir haben hier Werbung für den Curlingsport gemacht. Anfangs dachten alle, ach Curling, das ist so weit außerhalb in Gangneung. Aber bei jedem Spiel haben uns Mitglieder aus der deutschen Paralympics-Mannschaft unterstützt, das war toll und ein starkes Signal nach außen.“
Mit ihrem sympathischen Auftritt haben die Rollstuhlcurler in jedem Fall auch dafür gesorgt, dass das Thema Nachwuchs leichter angegangen werden kann, indem Aufmerksamkeit geschaffen worden ist, schließlich hat das aktuelle Team einen Altersschnitt von 52 Jahren.
Ungeachtet dessen waren die Paralympics ein Kraftakt. Jeden Morgen mindestens 30 Minuten Fahrzeit, meist zwei Spiele pro Tag über knapp zweieinhalb Stunden – das schlaucht. „Es war grenzwertig, aber ein tolles Erlebnis“, sagt Meißner, der mit dem Spitznamen „Headbanger“ auch die deutschen Medien auf sich aufmerksam machte: „Und wenn wir eine Medaille gewonnen hätten, wäre es sowieso eine Sensation gewesen.“
Hintergründe zu den Sportlerinnen und Sportlern unserer Deutschen Paralympischen Mannschaft finden Sie unter www.deutsche-paralympische-mannschaft.de.
Quelle: DBS