Paralympics in Tokio beendet
Nach 12 Wettkampftagen und 539 Medaillenentscheidungen sind die Paralympischen Spiele in Tokio gestern zu Ende gegangen.
Es waren paralympische Spiele wie es sie zuvor noch nie gegeben hat. Unter strengsten Sicherheits- und Hygieneregeln wurden die Wettkämpfe vor leeren Zuschauerrängen ausgetragen. Dennoch sagt Juliane Wolf in der ARD-Sportschau, „waren die Paralympics ein Erlebnis. Es ist immer wieder toll, hier teilnehmen zu dürfen und trotz der besonderen Umstände war es ein Mega-Event.“
Für Athletinnen und Athleten mit Behinderung ist es das Highlight der sportlichen Karriere, am drittgrößten Sportereignis der Welt teilnehmen zu dürfen. Jahrelang trainieren sie darauf hin, beißen sich durch intensive Trainingseinheiten und Qualifikationswettkämpfe, um nicht nur dabei zu sein, sondern um vor allem auch ihre bestmögliche Leistung abzurufen, um ihre Fähigkeiten zu zeigen und um sich Respekt zu verschaffen.
„Diejenigen, die durch einen Unfall ihre Einschränkung erlitten haben oder mit ihr geboren wurden, zeigen uns beispielhaft, wie man mit einer solchen Situation umgeht. Sie zeigen durch Willensstärke und mithilfe des Sports unmissverständlich, dass sie starke, wertvolle und eben nicht benachteiligte Mitglieder der Gesellschaft sind. Dies hat Vorbildfunktion.“, äußert sich DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher in der „FAZ am Sonntag“. „Sie sind Leuchttürme unserer Gesellschaft“.
4.400 Athletinnen und Athleten aus über 160 Ländern haben das in den vergangenen Tagen wieder eindrücklich gezeigt und bewiesen. Wir ziehen Bilanz und werfen dabei insbesondere den Fokus auf unsere badischen Athletinnen und Athleten.
TEAM DEUTSCHLAND PARALYMPICS
Insgesamt 43 Medaillen - 13 x Gold, 12 x Silber und 18 x Bronze – bringen die 134 deutschen Athletinnen und Athleten und drei Guides mit zurück nach Deutschland. Damit belegt das Team Deutschland Paralympics am Ende den zwölften Rang im Medaillenspiegel. In Rio landete das deutsche Team 2016 mit 57 Edelmetallen auf Rang sechs.
„Aus deutscher Sicht haben wir wie erhofft eine starke zweite Woche erlebt, in der wir zahlreiche Medaillengewinne feiern konnten. Generell ist kein Ende der Leistungsentwicklung im Para Sport in Sicht, das haben auch die vielen Weltrekorde und paralympischen Bestzeiten gezeigt, zu denen auch wir punktuell beigetragen haben. Wir erleben international eine zunehmende Professionalisierung des Para Sports, da haben wir in Deutschland Nachholbedarf“, sagt Chef de Mission Dr. Karl Quade und fügt an: „Darüber hinaus müssen wir die Basis vergrößern und uns mit Blick auf die Nachwuchsförderung durch eine systematische Talentsichtung besser aufstellen. Erstes Ziel mit Blick auf Paris 2024 muss es sein, dass das Team Deutschland Paralympics zahlenmäßig nicht kleiner wird als jetzt in Tokio.“
Mittel- und langfristig müsse es gelingen, die paralympischen Sportarten stärker in die Strukturen der olympischen Spitzensportverbände zu integrieren und die Zusammenarbeit zu intensivieren, um die Weltspitze nicht aus den Augen zu verlieren, sagt Quade.
PARA TISCHTENNIS
JULIANE WOLF
Große Medaillenhoffnungen ruhten auf Juliane Wolf, die sich fest vorgenommen hatte, mit einer Medaille aus Tokio zurückzukehren. In Rio vor fünf Jahren hatte sie den 4. Platz im Einzel und den 5. Platz mit der Mannschaft belegt.
Doch leider blieb der erhoffte Podestplatz auch dieses Mal aus. Großes Pech in der Auslosung, sowohl im Einzel als auch im Team, führten zu schweren Gegnern in der Vorrunde. Im Einzel musste sie gegen die zweifache und spätere Paralympics-Siegerin Jingdian Mao aus China und die Japanerin Yuri Tomono ran. Beide Spiele konnte sie nicht für sich entscheiden, sodass der Einzelwettbewerb für sie deutlich früher beendet war als erhofft.
Auch im Team mit Stephanie Grebe hatte Juliane Wolf das Losglück nicht auf ihrer Seite. Als erster Gegner stand den beiden Deutschen direkt der Goldfavorit aus China gegenüber. Und es war nichts zu holen. Sie unterlagen den Chinesinnen mit 0:2 und belegten damit wie schon in Rio am Ende Platz 5.
PARA-JUDO
NIKOLAI KORNHAß
Wie bereits im Zwischenbericht mitgeteilt, kam die Niederlage von Nikolai Kornhaß völlig unerwartet. Als Weltranglisten-Erster seiner Gewichtsklasse war er als Medaillenfavorit nach Tokio geflogen und direkt für das Viertelfinale gelistet worden. Dort verlor er allerdings überraschend gleich seinen ersten Kampf gegen den Kasachen Termirzhan Daulet. Auch im Kampf um die Bronze-Medaille gegen den Ukrainer Rufat Mahomedov musste er sich geschlagen geben. Letztlich belegte er den 7. Platz und bleibt damit unter seinen Erwartungen.
Absolut schade, dass er sich nach der langen Vorbereitung neben seines Sozialpädagogik-Studiums nicht belohnen konnte. Er hätte es verdient.
OLIVER UPMANN
Auch Oliver Upmann vom 1. Mannheimer Judo-Club konnte keinen Podestplatz herausholen. Er hat die Bronze-Medaille knapp verpasst und belegt - nach Platz 5 in London und Platz 9 in Rio de Janeiro - in Tokio nun den 4. Platz. Woran es am Ende lag, wusste er selbst nicht so genau, zu groß war die Enttäuschung.
Ein kleiner Trost dürfte aber die Familie zu Hause spenden, denn in knapp einem Monat wird er Vater. „Jetzt steht erstmal die Familie im Vordergrund“, sagt Oliver Upmann im Interview mit der Sportschau und das zaubert ihm am Ende immerhin ein kleines Lächeln aufs Gesicht.
PARA LEICHTATHLETIK
YANNIS FISCHER
Der Kugelstoßer vom Stadtturn-Verein Singen kann mit seiner Leistung bei den ersten paralympischen Spielen zufrieden sein. Im fünften Versuch stieß er die 4kg schwere Kugel auf eine Weite von 10,16 Meter und belegte damit den 6. Platz. Das erhoffte Ziel, seine Bestweite von 10,21 Meter zu übertreffen, blieb ihm aber verwehrt.
Der 19-jährige wird sich ab sofort auf die nächsten paralympischen Spiele in Paris 2024 konzentrieren.
MERLE MENJE
Merle Menje hat sich bei ihrem Paralympics-Debüt einen Namen gemacht und auf ganzer Linie überzeugt. Die 17-jährige vom Stadtturn-Verein Singen zeigte beachtliche Leistungen und schaffte es in vier Rennen viermal ins Finale. Dabei konnte sie mit den ganz Großen im Rennrollstuhl mithalten:
Ihre Ergebnisse in der Übersicht:
6. Platz über 5000 Meter 11:16,38 min (neue persönliche Bestzeit)
4. Platz über 800 Meter 1:46,43 min
4. Platz über 1500 Meter 3:28,64 min
8. Platz über 400 Meter 56,69 sek (Qualifikation mit neuer persönlicher Bestzeit in 55,24 sek)
Auch wenn sie zweimal die Medaillenränge knapp verpasste und über 800 Meter am Ende nichts mehr zu holen war, „habe ich mir absolut nichts vorzuwerfen“, sagte sie im Interview mit der Sportschau. „Ich bin super zufrieden. Es ist weit über den Erwartungen, die ich an mich hatte.“
FAZIT
Zwei ereignisreiche und spannende Wochen mit vielen sportlichen Highlights sind zu Ende und die 16. Paralympischen Spiele in Tokio offiziell beendet.
Bei der Abschlussfeier nannte Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, die Spiele in Tokio „einfach sensationell. Der Sport war fantastisch, in allen möglichen Sportarten wurden Weltrekorde gebrochen. Es ist ein Beweis dafür, dass die paralympische Bewegung stärker ist als je zuvor“.
Auch DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher sagt: „Wir haben großartige Werbung für den Para Sport und für Menschen mit Behinderung machen können und hoffen, dass wir das Feuer von Tokio über die Abschlusszeremonie hinaus nachhaltig lodern lassen werden. Ich sage ganz selbstbewusst: Die Paralympics haben das Potenzial, die Welt ein Stückchen besser zu machen.“
Wir gratulieren allen Athletinnen und Athleten des Team Deutschland Paralympics zu ihrer Leistung und freuen uns bereits jetzt auf die 17. Paralympischen Spiele im französischen Paris 2024.