"Rehasport ist für mich ein wichtiger Baustein auf dem Weg der Genesung"

In der Rückschau kann Uwe Riedle das Erlebte oft immer noch nicht recht glauben. „Bis zu meiner Covid 19-Erkrankung habe ich es nicht für möglich gehalten, dass es einen so schwer erwischen kann“, sagt der 59-Jährige. „Man muss sich das mal vorstellen: Binnen weniger Tage hat sich mein Gesundheitszustand derart verschlechtert und ich wurde so schwer krank, dass ich plötzlich voll verkabelt auf der Intensivstation lag. Ohne zu wissen, ob ich das überlebe.“

Dass Uwe Riedle seine Geschichte inzwischen so frei erzählen kann, ist nicht selbstverständlich. „Als die Ärzte mich entlassen haben, war die Freude groß, dass es endlich mal ein Patient geschafft hat, die Intensivstation wieder zu verlassen." Das ist gut anderthalb Jahre her. Seitdem arbeitet Riedle an seiner Genesung und kämpft sich Stück für Stück zurück in ein „normales“ Leben. Der Rehasport ist dabei für ihn „ein wichtiger Baustein“, wie er sagt. Auch weil er ihm dabei hilft, die eigene Krankheitsgeschichte besser zu verarbeiten.

Die Tage und Wochen zwischen der Infektion bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus seien wie ein Film an ihm vorbeigelaufen, beschreibt Riedle. Mitte März 2021 muss er sich angesteckt haben. Der 59-Jährige arbeitete bis dahin als stellvertretender Schichtleiter in einer Sondermüllverbrennungsanlage, übte einen verantwortungsvollen Beruf aus. Wenige Tage nach der Infektion begannen die Beschwerden. Anfangs fühlte sich Riedle unwohl, dann kam Fieber dazu. „Mir ging es täglich schlechter“, schildert er seinen Krankheitsverlauf. Zunehmend fiel ihm auch das Atmen schwer, zumal Riedle durch seine COPD-Vorerkrankung ohnehin eingeschränkt ist. „Ich bekam an meinen Finger ein Gerät, das meine Sauerstoffsättigung messen sollte. Es hieß: Wenn der Wert unter 90 fällt, muss ich mich melden. Irgendwann lag er unter 80, dann bin ich sofort in die Klinik gefahren.“

Bei Uwe Riedle wurde im Krankenhaus eine Lungenentzündung festgestellt. „Die Ärzte sagten damals: Wenn Sie Glück haben, schaffen Sie es. Ich war geschockt. Sie fragten mich auch nach einer Patientenverfügung für den Fall, dass ich kurzerhand beatmet werden müsste. In dem Moment wurde mir ganz anders“, erzählt der 59-Jährige aus Biebesheim am Rhein. „Ich habe das selbst nicht geglaubt und drei, vier Tage nicht geschlafen. Aus Angst, nicht mehr aufzuwachen.“

Zum Glück für Riedle, war das Lungengewebe nicht geschädigt. Sein Körper erholte sich – und mit Hilfe einer AirFit Maske auch seine Lunge. Was seinen Fall noch umso tragischer macht: Er hatte bereits einen Impftermin, die Ansteckung war kurz vorher.

Insgesamt fünf Wochen war Riedle coronapositiv. Nach dem Klinikaufenthalt folgte eine dreiwöchige Anschlussheilbehandlung in Marburg, danach wurde der ehemalige Schichtleiter als arbeitsunfähig entlassen. An eine Wiedereingliederung ist seitdem nicht zu denken. Riedle leidet an Long Covid und noch immer an den Folgen der Erkrankung. Die kognitiven Ausfälle und Störungen machen ihm zu schaffen, „die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sind für mich am schlimmsten“, entgegnet er. „Ich drehe mich um und weiß manchmal nicht mehr: habe ich meine Tablette genommen oder nicht. Eine kurze Ablenkung reicht, um mich aus dem Konzept zu bringen.“

Dazu komme die Erschöpfung, schon einfachstes Treppensteigen wird zur Anstrengung, seine geliebte Gartenarbeit ist derzeit eine Herausforderung. „Ehrlich gesagt dachte ich, dass ich mich in der Anschlussheilbehandlung erhole, ein bisschen was für meine Fitness mache und nach ein paar Wochen wieder arbeite“, sagt Riedle. Doch weit gefehlt. „Mein Körper zeigt mir knallhart die Grenzen auf.“

Bereits in der Klinik bekam Riedle die Empfehlung, zum Rehasport zu gehen. Bei der Sport- und Kulturgemeinde (SKG) Erfelden im südhessischen Kreis Groß-Gerau besucht er seit Juli 2021 einmal wöchentlich eine eigens ins Leben gerufene Covid-Gruppe. Für Riedle ist das in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Termin. „Die Bewegung tut mir gut. Das Angebot ist auf die Bedürfnisse und die Beschwerden der Teilnehmer abgestimmt.“ Zu den Trainingsstunden gehören Übungen für die Atmung, die Koordination oder für die Entspannung. Wenn es notwendig ist, wird auch einfach mal nur gesprochen. Denn was für die Teilnehmer ebenso wichtig ist: Die Rehasport-Gruppe ist auch sozialer Treffpunkt. „Ich treffe dort Menschen mit den gleichen gesundheitlichen Problemen. Wir tauschen uns aus und helfen uns gegenseitig, wenn es jemandem mal nicht so gut geht“, sagt Riedle.

Ihn selbst belastet seine gesundheitliche Situation. Die Ungewissheit, ob sich je wieder eine vollständige Genesung einstellt und die Zweifel, ob er je wieder arbeiten kann, nagen an ihm. Depressive Störungen gehören nicht selten zu den Begleiterscheinungen bei Long-Covid-Erkrankungen. „Die Therapeuten gehen dabei sehr gut auf uns ein, geben uns Tipps“, betont Riedle, der inzwischen weitere Angebote des Vereins nutzt.

Insgesamt stehen 17 verschiedene Kurse zur Auswahl. Mit ihrem Angebot gehört die SKG Erfelden zu den wichtigen Anlaufstellen für Rehasport in der Region. Aktuell hat der Verein zwei Kurse für Long-Covid-Gruppen im Programm. Uwe Riedle wirbt für die Teilnahme. „Ich freue mich jedes Mal auf den Kurs, auf die Bewegung und das Miteinander. Man merkt recht schnell, dass man mit seiner Krankheit nicht allein ist.“

Weitere Infos zum Rehabilitationssport und der Kampagne "Rehasport ist für mich..." finden Sie hier.

Quelle: Stefanie Bücheler-Sandmeier / DBS

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